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Querschnittslähmung

Was ist eine Querschnittslähmung?

Eine Querschnittslähmung ist die Folge eines verletzten oder vollständig durchgetrennten Rückenmarks. Die sich unterhalb des verletzten Abschnitts befindlichen Gliedmaßen sind gelähmt. Jede Querschnittslähmung hat ihr individuell ausgeprägtes Schädigungsmuster. Die Lähmungserscheinungen und der Ausfall bestimmter Funktionen sind umso schwerwiegender und ausgeprägter, desto höher das Rückenmark – und damit die Nervenbahnen in der Wirbelsäule – verletzt worden ist.

Weltweit erleiden Schätzungen zufolge mehr als 250.000 Menschen eine akute Rückenmarksverletzung.

Diese Funktionsbereiche des Rückenmarks sind bei einer Querschnittslähmung mehr oder weniger gestört. Das heißt, neben der Lähmung von Armen und Beinen können auch Atembeschwerden sowie Inkontinenz, und zwar sowohl Harninkontinenz und Stuhlinkontinenz als auch Mischformen von beiden, auftreten.

Was sind die Ursachen?

In Deutschland sind jährlich rund 2.000 Menschen oftmals aufgrund eines Unfalls im Straßenverkehr oder beim Sport neu querschnittsgelähmt. Man spricht in diesen Fällen von einer traumatischen Querschnittslähmung; sie trifft vor allem Männer um die 40. Da das Rückenmark geschützt in dem knöchernen Wirbelkanal liegt, werden seine Nervenbahnen i.d.R. nicht direkt durchtrennt. Die Verletzungen werden vielmehr durch gebrochene Wirbelkörper hervorgerufen. Bei den anderen Betroffenen dagegen – sie machen gut die Hälfte aus – sind Tumoren, Durchblutungsstörungen, Entzündungen des Rückenmarks, die bei der Kinderlähmung oder Multiplen Sklerose auftreten können, ein Bandscheibenvorfall, Infektionskrankheiten oder Autoimmunerkrankungen Ursache einer sog. nichttraumatischen Querschnittslähmung. In seltenen Fällen ist die Querschnittslähmung angeboren, und zwar wenn sich in der embryonalen Entwicklung im Mutterleib das Neuralrohr, das sich später zum Rückenmark entwickelt, nicht schließt und ein Wirbelspalt offenbleibt. Werden bei dieser als Spina Bifida bekannten Fehlbildung Nerven geschädigt, kommt das Kind querschnittsgelähmt auf die Welt.

Welche Formen gibt es?

Man unterscheidet das Querschnittsyndrom, so der moderne Oberbegriff für Querschnittslähmung, nach der Lähmungshöhe (Paraplegie oder Tetraplegie), nach kompletter oder inkompletter Lähmung (Plegie oder Parese) und nach spastischer oder schlaffer Lähmung.

Je nachdem, auf welcher Höhe und wie schwer das Rückenmark der Betroffenen beschädigt ist, ist das Querschnittsyndrom komplett oder inkomplett. Im ersten Fall sind unterhalb der letzten beiden Wirbelkörper (Kreuzbeinwirbel 4 und 5) sämtliche motorische und sensible Funktionen ausgefallen. Das heißt, in der Anus-Region funktioniert der Schließmuskel nicht. Die Betroffenen fühlen dort auch nichts mehr. Bei einer inkompletten Querschnittslähmung dagegen sind noch teilweise Muskelaktivitäten und/oder sensibles Empfindungsvermögen vorhanden. Die wichtigsten Unterschiede der verschiedenen Querschnitt-Formen sind: Bei einer kompletten oder inkompletten Tetraplegie ist das Rückenmark im Halsbereich verletzt. Arme, Beine und der gesamte Rumpf sind ganz oder zum Teil gelähmt, wobei auch die Atemmuskulatur betroffen sein kann. Hat das Rückenmark in Höhe der Lendenwirbelsäule Schaden erlitten, sind beide Beine und Teile des Rumpfes gelähmt. Diese Form der Querschnittslähmung wird in der Fachsprache Paraplegie genannt. Die Vorsilben „Para“ und „Tetra“ stammen aus dem Griechischen und beziehen sich auf die Anzahl der gelähmten Gliedmaßen.

So gibt es vier Hauptformen der Querschnittslähmung: Paraparese, Tetraparese, Paraplegie und Tetraplegie, wobei es sich hierbei lediglich um eine grobe Einteilung handelt. Die individuelle Ausprägung kann sehr unterschiedlich ausfallen.

1. Paraparese

Was ist eine Paraparese?

Nicht mehr richtig gehen können ist eine der wesentlichen Symptome einer Paraparese. Es handelt sich bei dieser Querschnittslähmung um eine leichte, teilweise Muskellähmung meist beider Beine oder, das ist aber seltener, beider Arme. Teilweise ist die Paraparese deshalb, weil die Beine im Gegensatz zur Paraplegie, die durch eine vollständige Lähmung der Beine gekennzeichnet ist, noch bewegungsfähig sind. Die Parese wird häufig auch motorische Schwäche genannt. Sie kann auch nur ein Bein oder einen Arm betreffen und heißt dann Monoparese. Bei einer Hemiparese ist eine Körperhälfte gelähmt, im Falle einer Tetraparese sogar alle vier Gliedmaßen. Die Silbe Parese kommt vom griechischen Wort „paresis“, übersetzt „die Erschlaffung“. Hauptmerkmal einer Paraparese ist, dass die Betroffenen nur langsam und schleppend gehen können und die Füße am Boden schleifen. Diese typische Fortbewegung wird als „paraparetischer Gang“ bezeichnet.

Welche Ursachen liegen zugrunde?

Oftmals ist ein Unfall, bei dem der Kopf und damit das Gehirn oder das Rückenmark verletzt worden ist, Ursache einer Paraparese. In diesem Fall spricht man von einer traumatisch bedingten Paraparese. Sie ist komplett, wenn das Rückenmark dabei vollständig durchtrennt worden ist (Plegie). Ist es nur teilweise verletzt, handelt es sich um eine inkomplette Querschnittslähmung (Parese). Eine Paraparese kann auch nichttraumatisch entstehen, etwa durch Tumoren, Infektionskrankheiten, Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose (MS) oder Fehlbildungen von Rückenmark und/oder Wirbelsäule. Allerdings nehmen die nichttraumatischen Ursachen tendenziell zu.

Was sind die Symptome?

Ob traumatische oder nichttraumatische Ursache, immer werden dabei Nervenzellen beschädigt, die bestimmte Körperfunktionen steuern. Im Falle einer inkompletten Lähmung, der Parese, sind Sensorik und Motorik allerdings nur teilweise betroffen, weil nicht alle Nervenleitungen geschädigt sind. In den gelähmten Körperbereichen können Schmerzen auftreten. Aber auch Aufgaben, die die autonomen Nerven steuern, wie z.B. Wasserlassen oder Stuhlgang, sind gestört. Die Betroffenen haben entweder Probleme, überhaupt auszuscheiden oder sie leiden an Inkontinenz, und zwar an einer Harninkontinenz und/oder Stuhlinkontinenz. Generell können bei einer Paraparese alle Beschwerden und Komplikationen vorkommen, die typisch für eine Querschnittslähmung sind. Sehr häufig leiden Menschen mit einer inkompletten Lähmung an Nervenschmerzen, in der Fachsprache neuropathische Schmerzen genannt. Das sind Schmerzen, die unmittelbar durch Schädigung oder Erkrankung des Nervensystems entstehen. Dabei übermitteln die Nervenbahnen nicht nur die Schmerzen, sondern verursachen sie.

In welchem Ausmaß jedoch bestimmte Symptome auftreten, hängt ganz davon ab, in welcher Höhe und wie stark die Rückenmarksnerven verletzt und welche Organe und Extremitäten infolgedessen betroffen sind. Pauschal lassen sich die Folgen einer inkompletten Lähmung nicht vorhersagen. Sie kann so geringfügig ausfallen, dass man äußerlich gar keine Lähmung festmachen kann. Die Paraparese kann aber auch so schwer sein, dass man sie kaum von einer kompletten Lähmung unterscheiden kann. Die meisten Paraparesen liegen irgendwo zwischen diesen beiden genannten Extremen. Die genauen Symptome kristallisieren sich erst nach einiger Zeit nach einem Unfall heraus.

Wie wird die Paraparese behandelt?

Die Diagnose inkomplette Querschnittslähmung bzw. Paraparese ist zunächst einmal ein gutes Zeichen, da sie bedeutet, dass noch Nervenbahnen und damit Funktionen erhalten sind. Dadurch haben die Betroffenen eine bessere Chance, im Laufe der Behandlung und Rehabilitation weitere Funktionen zurückzugewinnen. Entscheidend dafür ist eine konsequente und regelmäßige Physiotherapie, die bereits in der Klinik – i.d.R. ein spezialisiertes Behandlungszentrum für Rückenmarkverletzte – begonnen und danach ambulant fortgeführt wird. Der Schwerpunkt der physiotherapeutischen Behandlung ist jeweils individuell verschieden und richtet sich danach, welche Funktionen noch in welchem Ausmaß vorhanden sind. Können die Patienten – wenn auch erschwert – gehen, erhalten sie für die Gangschule eine Schiene bzw. Orthese, bei der das Gehen systematisch trainiert wird, denn ein Teil der an einer Paraparese erkrankten Menschen, deren Beine betroffen sind, kann meist mit Gehilfen und/oder Orthesen gehen. Diese werden je nach Ausfallerscheinung und der Funktion, die gezielt unterstützt werden soll, individuell angefertigt. Dabei spielen auch Alter, Gewicht, Größe und Aktivitätslevel des Patienten eine Rolle. Es kann allerdings auch sein, dass Betroffene einen Rollstuhl benötigen.

Eine Paraparese wird daneben meistens mit einer individuell zusammengestellten Kombination aus verschiedenen Verfahren der Schmerztherapie behandelt. Dazu gehören z.B. Injektionen von Betäubungsmitteln, die gezielt an die schmerzende Körperstelle oder den Nerv gespritzt werden, Schmerz-Akupunktur, Hochtontherapie, bestimmte physiotherapeutische Methoden, Wärme- und Kälteanwendungen sowie ergänzend Entspannungsverfahren und ein Schmerzbewältigungstraining. Bestehen die Schmerzen bereits längerfristig, ist eine zusätzliche psychologische bzw. psychotherapeutische Behandlung – eine spezielle Schmerzpsychotherapie – zu empfehlen. Hier lernen die Patienten, ungünstige Denk- und Verhaltensmuster, die Schmerzen aufrechterhalten und sogar verstärken, zu ändern. Sie üben neue Verhaltensmuster, die die chronischen Schmerzen deutlich verringern können.

Wie ist die Prognose?

In der Regel verbessern sich die Funktionen bei einer Paraparese innerhalb von Wochen und Monaten nach der Rückenmarksverletzung. Erst nach zwei bis drei Jahren ist damit realistischerweise nicht mehr zu rechnen. Ein Behandlungsansatz am Zentrum für Neurorobotales Bewegungstraining (ZNB) in Bochum jedoch lässt hoffen. Hier können Querschnittsgelähmte an einer Bewegungstherapie mit einem sogenannten Exoskelett, einem Roboteranzug, teilnehmen. Drei Monate lang trainieren sie tagtäglich das Gehen, oftmals mit Erfolg.

2. Tetraparese

Was ist eine Tetraparese?

Das Wort „tetra“ kommt aus dem Griechischen und heißt übersetzt vier, „parese“ ist abgeleitet von „paresis“, auf Deutsch „Erschlaffung“. Das bedeutet, dass bei einer Tetraparese alle vier Gliedmaßen, also Arme und Beine, gelähmt sind. Im Gegensatz zur Tetraplegie, bei der zwar auch alle vier Extremitäten von der Lähmung betroffen sind, ist die Tetraparese meistens eine schlaffe Lähmung. Das heißt, dass keine Verbindung mehr zwischen motorischem Nerv und Muskulatur besteht. Die Muskeln regen sich nicht mehr, sondern sind im wahrsten Sinne des Wortes schlaff. Bei einer spastischen Tetraparese hingegen ist die Spannung in den Muskeln so stark erhöht ist, dass sie verhärten, verkrampfen und sich bewegen können, ohne dass die Betroffenen die Bewegungen kontrollieren können.

Wichtig zu wissen: Die Tetraparese ist eine inkomplette Querschnittslähmung. Grundsätzlich ist es so, dass sowohl eine Parese als auch eine Plegie sich nur auf die motorischen Funktionen bezieht.

Welche Ursachen liegen zugrunde?

Eine Tetraparese kann sowohl durch traumatische als auch nichttraumatische Ereignisse hervorgerufen werden. So kann eine Tetraparese Entzündungen im Rückenmark, Veränderungen der Wirbelsäule oder Wirbelbrüche infolge von Osteoporose, einer Erkrankung, in deren Verlauf die Knochen brüchig werden, auftreten. Infarkte, Blutungen oder Tumoren im Bereich von Wirbelsäule und Rückenmark und Bandscheibenvorfälle können ebenfalls zu einer Tetraparese führen. Die nichttraumatischen Ursachen einer Querschnittslähmung nehmen tendenziell zu. Aus diesem Grund sind die Betroffenen älter und haben eher inkomplette Ausfälle.

Was sind die Symptome?

Bei einer Tetraparese sind neben der Lähmung der vier Gliedmaßen auch Blase, Darm, Sexualfunktion und Blutdruck in ihrer Funktion beeinträchtigt. Die Betroffenen einer Tetraparese leiden häufig an Atemlähmungen bzw. Atembeschwerden; rund 20 Prozent von ihnen müssen beatmet werden. Sie haben immer auch eine Inkontinenz, und zwar sowohl eine Harninkontinenz als auch eine Stuhlinkontinenz oder aber Anteile von beiden Inkontinenzformen.

Entscheidend für Grad und Schwere der Querschnittslähmung ist, an welcher Stelle bzw. Höhe das Rückenmark verletzt wurde. Ist das Rückenmark im Halsbereich geschädigt, kommt es zu einer Tetraparese mit mehr oder weniger stark ausgeprägten Symptomen. Unmittelbar nach einem Unfall ist der Zustand zunächst mehr als dramatisch. Die Menschen spüren unterhalb des Rückenmarksschadens nichts mehr (spinaler Schock). Sie können oftmals nicht mehr richtig atmen, ihr Kreislauf kann zum Erliegen kommen. Entsprechend werden die Schwerverletzten zunächst auf einer Intensivstation behandelt. In dieser Zeit können die Ärzte über das tatsächliche Ausmaß der Querschnittslähmung noch nichts sagen. Erst wenn diese nach Tagen, Wochen und u.U. nach Monaten abgeklungen ist, zeigt sich, ob die Lähmung komplett oder inkomplett ist. Löst sich der Zustand langsam auf, neigen die Betroffenen zu vielen und starken Muskelreflexen. Das rührt daher, dass die Nervenzellen unterhalb der Rückenmarksverletzung aussprossen und versuchen, Verbindungen zu anderen Zellen herzustellen.

Wie wird die Tetraparese behandelt?

Kreislaufprobleme werden mit entsprechenden Arzneien behandelt, ebenso Schmerzen gelindert. Da Patienten mit einer Tetraparese zu Blutgerinnseln neigen, die lebensbedrohlich sein können, wenn diese ein Blutgefäß verstopfen, müssen sie unbedingt Medikamente zur Blutverdünnung einnehmen. Da alle Betroffenen an einer Harninkontinenz leiden, die sich dadurch kennzeichnet, dass aufgrund der gelähmten Blase der Urin willkürlich abgeht, erhalten sie einen Blasenkatheter, ein Kunststoffschlauch, der i.d.R. über die Harnröhre in die Blase geschoben wird. Er wird später häufig durch einen sterilen Einmalkatheter ersetzt, den die Querschnittsgelähmten selbst wechseln. Später haben die Patienten eher eine Stuhlinkontinenz. Problemen beim Stuhlausscheiden werden mit Medikamenten oder Einläufen entgegengewirkt.

Wie ist die Prognose?

Auch wenn eine Tetraparese i.d.R. nicht heilbar ist, gibt es vielfältige Therapiemaßnahmen und Hilfsmittel. Durch beispielsweise ergotherapeutische Maßnahmen wie Bewegungs- und Sensibilitätstraining sowie die Vermeidung von Kontrakturen lassen sich je nach individueller Ausprägung Fortschritte erzielen. Abgesehen davon ist es wichtig, den Betroffenen zu größtmöglicher Selbstständigkeit anzuleiten, damit dieser wieder aktiv am Leben teilnehmen kann.

3. Paraplegie

Was ist eine Paraplegie?

Eine Paraplegie ist eine vollständige, spastische oder schlaffe Querschnittslähmung, bei der beide Beine und zum Teil auch der Rumpf gelähmt sind. „Plegie“ kommt aus dem Griechischen und heißt übersetzt „Lähmung“, die Vorsilbe „Para“ heißt „zwei“ und bezieht sich auf die beiden gelähmten Gliedmaßen. Bei einer Paraplegie ist das Rückenmark unterhalb des ersten Brustwirbels verletzt. Handelt es sich um eine hohe Paraplegie, ist also eines der höher gelegenen Rückenmarkssegmente beschädigt, kann auch die Atemmuskulatur des Brustkorbs beeinträchtigt sein. Die Bauchatmung über das Zwerchfell arbeitet jedoch weiter und kräftigt sich in der Folgezeit.

Welche Ursachen liegen zugrunde?

Häufige Ursache einer Paraplegie ist – wie bei allen Formen der Querschnittslähmung – meistens ein Verkehrs-, Arbeits-, Sport- und Badeunfall oder ein schweres Missgeschick im Haushalt. Dazu kommen Suizid- und Gewalttaten. Ist die Paraplegie Folge eines Unfalls, spricht man von einer traumatischen Ursache. Dabei wird die Wirbelsäule so stark verletzt, dass die Nervenbahnen im Rückenmark massiv geschädigt werden. Eine Paraplegie kann aber auch die Folge von Krankheiten wie Tumoren, und/oder Metastasen, Abszessen, Durchblutungsstörungen, angeborenen Fehlbildungen wie etwa eine Spina bifida, oder Entzündungen des Rückenmarks sein. In diesen Fällen handelt es sich um nichttraumatische Ursachen einer Paraplegie. Während das Durchschnittsalter bei Sportunfällen bei 25 Jahren liegt, ist die Paraplegie vor allem bei älteren Menschen durch eine nichttraumatische Ursache bedingt. Nach einem Unfall mit Rückenmarksverletzung tritt sofort eine Lähmung auf. Bei allmählich wachsenden Tumoren jedoch oder einer Rückenmarksentzündung entwickelt sich eine Paraplegie innerhalb von Stunden, Tagen oder selten Monaten.

Was sind die Symptome?

Bei einer schweren Rückenmarksverletzung besteht zunächst eine schlaffe Lähmung, bei der sich im gelähmten Körperbereich kein Muskel mehr bewegen lässt. Später entwickelt sich eine Steigerung des Muskeltonus, die sog. spastische Lähmung. Diese geht mit einer stark erhöhten Muskelspannung einher, die wiederum zu unkontrollierten Bewegungen führt. Das rührt daher, dass das Rückenmark unterhalb der Verletzung überlebt hat und ohne die dämpfende Kontrolle des Gehirns arbeitet. Die Muskelspannung wird nicht kontrolliert und kann zu ungehinderten reflexartigen Bewegungen führen. Diese auch als Spasmen bezeichneten Zuckungen können bei einer Paraplegie unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Die Spastik kann u.U. von dem Betroffenen bewusst genutzt werden, um z.B. das selbständige Übersetzen vom Bett in den Rollstuhl besser zu ermöglichen. Andererseits kann sie auch schmerzhaft, hinderlich und gefährdend sein, z.B. wenn sie kein sicheres Sitzen im Rollstuhl zulässt und der Betroffene herausstürzt.

Darüber hinaus haben Paraplegiker oftmals mit den folgenden Symptomen zu kämpfen:

Sensibilitätsverlust mit der Gefahr eines Dekubitus, Harn- und Stuhlinkontinenz, eingeschränkte Sexualität und neuropathische Schmerzen.

Wie wird die Paraplegie behandelt?

Ein großes Ziel ist die soziale Reintegration des Frischbetroffenen, ggf. auch die Reintegration in den Arbeitsprozess und den Behindertensport. Nach der Erstbehandlung im Querschnittszentrum sollten auch mögliche Komplikationen wie Druckgeschwüre, Spastik, urologische Probleme u.a. dort weiter behandelt werden. Eine lebenslange Nachsorge mit regelmäßigen „Check-ups“ im Querschnittszentrum ist notwendig. Auch ist eine regelmäßige physio- und ergotherapeutische Behandlung ambulant sowie ggf. auch stationär zum „Auftrainieren“ im Querschnittzentrum Basis für eine hohe Lebenserwartung bei guter Lebensqualität.

Wie ist die Prognose?

Paraplegiker sind nur bedingt auf Fremdhilfe angewiesen, wenn sie gut trainiert und kräftig genug sind. Sie benötigen allerdings ein Leben lang einen Rollstuhl. Er ist sicher eines der wichtigsten Hilfsmittel querschnittsgelähmter Menschen. Moderne Exoskelette können zudem ein Fortbewegen in aufrechter Position – ein neues Gehen – an Unterarmstützen ggf. nach langem Training wieder ermöglichen. Dies wirkt sich positiv auf den Bewegungsapparat, den Kreislauf sowie die Funktionen von Harnblase und Darm aus. Außerdem erlaubt es dem Betroffenen im Rollstuhl, seinem Gegenüber wieder in die Augen zu sehen. Er ist mit ihm wieder auf Augenhöhe, ein bedeutendes psychologisches Moment. Daneben erleichtern diverse medizinische Hilfsmittel das alltägliche Leben und beugen bestimmten Komplikationen vor. So wirken Kissen und Schaumstoffkeile für die Lagerung im Bett sowie Spezialmatratzen dem Wundliegen entgegen.

4. Tetraplegie

Was ist eine Tetraplegie?

Tetraplegie ist die schwere Form einer Querschnittslähmung, bei der sowohl Arme als auch Beine betroffen sind. Bei einer Tetraplegie ist das Rückenmark im Bereich des Halsmarkes verletzt. In der Regel sind die Beine vollständig gelähmt. Das Ausmaß der Schädigung der Arme ist von der Höhe der Verletzung abhängig. Bei sehr hohen Schädigungen kann auch die Atemfunktion beeinträchtigt sein. 

„Plegie“ kommt aus dem Griechischen und heißt übersetzt „Lähmung“, die Vorsilbe „Tetra“, ebenfalls griechisch, heißt „vier“ und bezieht sich auf die Anzahl der gelähmten Extremitäten. Eine Tetraplegie bedeutet immer eine komplette Querschnittslähmung mit Ausfällen der motorischen und sensiblen Funktionen.

Welche Ursachen liegen zugrunde?

Ursache einer Tetraplegie ist meistens ein Unfall, sei es im Verkehr, beim Sport, beim Baden oder im Haushalt. Insbesondere ein Sprung in unbekannte, flache Gewässer kann eine Halsmarkverletzung zur Folge haben. Vor allem bei Badeunfällen solcher Art überwiegen die vollständigen, motorisch kompletten Lähmungen, wohingegen bei anderen Sportunfällen der Großteil inkomplette Lähmungen aufweist. Dabei wird die Wirbelsäule so stark verletzt, dass die Nervenbahnen im Rückenmark massiv geschädigt werden. Bei schätzungsweise der Hälfte der Betroffenen tritt eine Querschnittslähmung infolge bestimmter Erkrankungen auf wie etwa Tumoren und/oder Metastasen, Durchblutungsstörungen oder Entzündungen des Rückenmarks. In diesen Fällen handelt es sich um sogenannte nichttraumatische Ursachen einer Tetraplegie, von denen vor allem ältere Menschen betroffen sind.

Was sind die Symptome?

Insgesamt leiden die Betroffenen anfangs unter schweren Störungen, die sich i.d.R. – in individuellem Ausmaß – bessern können. Sie reichen von Lähmungen der Gliedmaßen, Beeinträchtigung der Atmung, Herz-Kreislauf sowie Sensibilitäts- und Schmerzwahrnehmungen je nach Rückenmarkssegment:

Aufbau der Wirbelsäule
Aufbau der Wirbelsäule
  • Eine Schädigung der Segmente C8 und Th1 hat zur Folge, dass die Hände nicht mehr bewegt werden können.
  • Ist das Rückenmark in den Segmenten C6/C7 verletzt, sind noch restliche Funktionen der Arme erhalten. So können die Betroffenen den Unterarm noch beugen und in der Schulter bewegen.
  • Eine Schädigung des Segmentes C6 wirkt sich so aus, dass der Arm zwar noch in der Schulter bewegt, aber nicht mehr gestreckt und gebeugt werden kann.
  • Bei einer Verletzung des Segmentes C5 ist auch die Bewegung im Schultergelenk beeinträchtigt. Ist das Rückenmark oberhalb von C5 zerstört, ist keine Bewegung der Arme mehr möglich.
  • Die Nerven der höher gelegenen Segmente – C3 bis C5 – regulieren die Atmung. Sie ist beeinträchtigt und im schlimmsten Fall nicht mehr möglich, wenn diese von der Verletzung betroffen sind.

Nicht in jedem Fall können die Ärzte sofort das Ausmaß der Rückenmarksverletzung mit Sicherheit einschätzen. Nur bei vollständigen Durchtrennungen ist eine endgültige Aussage über die Irreversibilität, das heißt endgültige Beeinträchtigung, möglich.

Die zunächst schlaffe Lähmung, bei der sich im gelähmten Körperbereich keinerlei Muskel mehr bewegt, geht nach Wochen in eine spastische Lähmung über. Diese kann noch vorhandene Restfunktionen überlagern. Bei einer Tetraplegie muss mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Entwicklung einer Spastik gerechnet werden, das bedeutet, die Muskeln werden immer fester, verkrampfen sich und können sich unwillkürlich, das heißt ohne den Willen des Betroffenen, bewegen.

Durch die Verletzung im Bereich der Halswirbel funktioniert auch das vegetative Nervensystem nur noch eingeschränkt. Deswegen erhöht sich der Puls nur noch knapp über 100 Schläge pro Minute. Bei gesunden Menschen steigt die Herzfrequenz unter Belastung auf ca. 180 bis 200 Schläge pro Minute, um den Sauerstoffbedarf zu decken. Tetraplegiker können auch nicht mehr schwitzen. Dies kann unter starker Belastung und großer Hitze schnell gefährlich werden, wenn man sich nicht regelmäßig abkühlt.

Weitere häufige Symptome bei Tetraplegikern sind: Dekubitus, Harn- und Stuhlinkontinenz, eine eingeschränkte Sexualität, neuropathische Schmerzen, Übergewicht und eine starke psychische Belastung.

Wie wird die Tetraplegie behandelt?

Bei Patienten mit einer Tetraplegie, bei der der ganze Rumpf gelähmt ist, kann die Atemmuskulatur geschwächt sein. Das ist meistens vorübergehend, wenn das Zwerchfell noch ausreichend funktioniert, erfordert aber eine maschinelle Beatmung.

Auch wenn die Muskulatur des Zwerchfells mit der Zeit kräftiger wird, erschöpfen sich viele Betroffene dabei und benötigen zwischendurch für rund zwei Stunden eine druckunterstützte Beatmung mit einer Atemmaske oder über eine Trachealkanüle, die die eigene Atmung unterstützt. Ist das Rückenmark unterhalb des Segmentes C5 geschädigt, ist die Chance, dass sie wieder auf Dauer aktiv atmen können, sehr gut. Höhergelähmte Patienten müssen unter Umständen lebenslang beatmet werden.

Eine weitere Therapie-Möglichkeit für Tetraplegiker mit einer hohen Querschnittslähmung ist das Einsetzen eines sog. Zwerchfellschrittmachers. Das ist ein Implantat, das mittels elektrischer Stimulation des Zwerchfells einen Unterdruck in der Lunge erzeugt und bewirkt, dass die Patienten daraufhin kräftiger einatmen.

Dauerhaft beatmet werden müssen Betroffene mit einer Verletzung des Rückenmarks oberhalb der Segmente C3. Sie benötigen immer eine externe Beatmung. Es gibt aber heutzutage mobile Beatmungsgeräte, sodass sie nicht – so wie es früher der Fall war – ständig an die Wohnung gebunden sind. Allerdings brauchen sie rund um die Uhr die Hilfe einer Intensivpflegekraft. Diese steht ihnen zu und muss von der Gesetzlichen Krankenkasse bezahlt werden.

Neben der Atemtherapie ist vor allem für Tetraplegiker psychologische Unterstützung wichtig: Die Betroffenen müssen „neu“ lernen, trotz Handikap und verschiedenster Symptomatiken wieder ein selbstbestimmtes Leben ggf. mit umfangreicher Hilfe und Assistenz zu führen.

Wie ist die Prognose?

Immerhin können 20 bis 30 Prozent der Patienten mit einer Tetraplegie, die also vier gelähmte Extremitäten haben, die Bewegungsfähigkeit verbessern und die Körperfunktionen eher kontrollieren. Dennoch: 70 Prozent der Menschen mit einer Querschnittslähmung bleiben ein Leben lang auf die Hilfe von Fachkräften, Angehörigen und einen Rollstuhl angewiesen. Dieser ist sicher eines der wichtigsten Hilfsmittel im Alltag der Betroffenen. Daneben erleichtern diverse medizinische Hilfsmittel gewisse Folgen der Tetraplegie und beugen Folgeerscheinungen/Komplikationen vor.

Insgesamt rechnet man jedoch bei einer Tetraplegie, insbesondere dann, wenn es sich um eine hohe Lähmung handelt und damit die Atmung beeinträchtigt ist, um eine 10 bis 15 Prozent verkürzte Lebenserwartung.

Weiteres Unterscheidungsmerkmal

Neben den vier Hauptformen einer Querschnittslähmung gibt es noch die Unterscheidung zwischen einer schlaffen und einer spastischen Lähmung.

Schlaffe Lähmung

Was ist eine schlaffe Lähmung?

Ist der motorische Nerv zwischen Rückenmark und Muskulatur beschädigt, ist die „Leitung“ zwischen beiden unterbrochen. Infolgedessen kommt es zu einer schlaffen Lähmung. Das heißt, es können jegliche Impulse der Nerven an die Muskeln, sich zu bewegen, komplett ausgefallen sein. Das ist bei einer kompletten schlaffen Lähmung der Fall. Handelt es sich dagegen um eine inkomplette schlaffe Lähmung, können einzelne Muskeln bewegt und Gefühle gespürt werden. Die schlaffe Lähmung unterscheidet sich von der spastischen Lähmung, bei der die Muskeln aufgrund der Verletzung krankhaft angespannt sind.

Welche Ursachen liegen zugrunde?

Die Ursachen für eine schlaffe Lähmung sind verschieden. So können Unfälle, Entzündungen von Nerven und Rückenmark zugrunde liegen, aber auch Tumoren, Vergiftungen oder in seltenen Fällen Autoimmunerkrankungen, bei denen die körpereigene Abwehr eigene Zellen bekämpft, können die Nervenzellen in Mitleidenschaft ziehen. Oftmals wird bei Unfällen im Straßenverkehr oder beim Sport das Rückenmark so stark verletzt, dass Nervenbahnen gequetscht, durch gebrochene Wirbelkörper beschädigt oder gar durchtrennt sind. Verursachen bestimmte Erkrankungen die schlaffe Lähmung, richtet sich die Therapie in erster Linie darum, diese zu beseitigen oder zumindest zu lindern, um die Lähmungs-Symptome in den Griff zu bekommen. Besteht nach einem Unfall die Gefahr, dass Bruchstücke von Wirbelköpern Zellen im Rückenmark schädigen können, müssen die Betroffenen so schnell wie möglich einem operativen Eingriff unterzogen werden. Völlig durchtrennte Nerven können allerdings nicht gerettet werden.

Wie sieht die Behandlung aus?

Wichtige Säule der Behandlung ist regelmäßige Physiotherapie, damit noch bewegliche Muskeln es auch bleiben und der Rückgang hinausgezögert wird. Dadurch, dass Betroffene einer schlaffen Lähmung bestimmte Muskeln nicht mehr benutzen, bilden sie sich schlichtweg zurück. An ihre Stelle kommen Bindegewebe und Fett. Die Muskeln verlieren daraufhin noch mehr an Kraft und Funktion. Die Haut wird nicht mehr richtig durchblutet.

Spastische Lähmung

Was ist eine spastische Lähmung?

Die spastische Lähmung, auch Spastik oder Spastizität genannt, ist das Gegenteil der schlaffen Lähmung. Zwar sind bei beiden Lähmungstypen die Nervenzellen im Rückenmark geschädigt, doch führt das bei der spastischen Lähmung zu einer erhöhten Muskelspannung, das heißt, sie ist überaktiv. In der Fachsprache spricht man von einem krankhaft erhöhten Muskeltonus. Einfach ausgedrückt ist die Spastik ein nicht gehemmter Reflex, also im Grunde ein natürlicher Vorgang, der aber im Falle einer Querschnittslähmung nicht vom Gehirn gebremst werden kann, weil die „Leitung“ blockiert ist.

Spastik stammt vom griechischen Wort „spasmós“, das heißt übersetzt „Krampf“. Die Folge davon sind Verhärtungen und Versteifungen der Muskulatur, die spastische Lähmung. Die Betroffenen können Arme oder Beine nur eingeschränkt oder im Extremfall gar nicht mehr bewegen. Die steife Muskulatur führt zu entstellenden Körperhaltungen, die starke Schmerzen verursachen. Außerdem führt die spastische Lähmung häufig auch zu unkontrollierten Muskelbewegungen und -zuckungen.

Welche Ursachen liegen zugrunde?

Ursache einer spastischen Lähmung können Unfälle sein mit Verletzungen des Rückenmarks oder einem Schädelhirntrauma. Auch ein Schlaganfall, Multiple Sklerose (MS), Hirnentzündungen oder ein Hirntumor können einer spastischen Lähmung zugrunde liegen. Wird das Gehirn eines Babys, entweder noch im Mutterleib oder bei der Geburt, geschädigt, kann das ebenfalls eine spastische Lähmung zur Folge haben.

Das Ausmaß der spastischen Lähmung hängt allerdings davon ab, wie schwer und welche Bereiche im Rückenmark oder Gehirn Schaden erlitten haben. So können einzelne Muskeln in Mitleidenschaft gezogen werden, aber auch ganze Körperbereiche wie etwa Hals- und Rumpfmuskulatur. Langfristig kann es zu Muskelverkürzungen kommen, Fehlhaltungen sowie Fehlstellungen, Verformungen und Schäden der Gelenke.

Wie sieht die Behandlung aus?

Die Behandlung einer spastischen Lähmung zielt darauf ab, die Bewegungsfähigkeit der Muskeln so gut es geht zu erhalten, Schmerzen zu lindern und mögliche langfristige Folgen zu verringern. Dabei spielt die Physiotherapie eine wichtige Rolle. Eine spastische Lähmung ist zwar nicht heilbar, wohl aber kann man mit einer regelmäßigen Physiotherapie den Zustand des Betroffenen für eine Zeit verbessern. Ist die Spastik stark ausgeprägt, werden zusätzlich bestimmte Medikamente verordnet, um die Muskelspannung zu reduzieren.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Menschen mit einer Verletzung des Rückenmarks sollten in einem spezialisierten Querschnittszentrum versorgt werden. Vor der Therapieentscheidung nehmen die Ärzte umfassende Untersuchungen vor: Sie bestimmen, wie viel restliche Muskelkraft in den Körperbereichen unterhalb der Rückenmarksverletzung und inwieweit noch Reflexe und Empfindungsvermögen vorhanden sind. Häufig lässt sich anhand der Untersuchungsbefunde die Region der Schädigung einengen.

Beeinträchtigungen der Organe stellen sie u.a. mit speziellen Funktionsuntersuchungen wie der Video-Urodynamik, Ultraschalluntersuchungen von Nieren und Harnblase, Messungen von Herzfrequenz und Blutdruck sowie neurophysiologischen Untersuchungen fest.

Von zentraler Bedeutung bei der Diagnose einer akuten Querschnittslähmung ist der Zeitfaktor. Eine Chance auf eine Rückbildung einer kompletten Querschnittslähmung besteht nur innerhalb der ersten 24 Stunden. Eine wesentliche Rolle spielen die bildgebenden Verfahren. Nach Erheben der Verdachtsdiagnose sollte zeitnah zumindest ein Computertomogramm (CT) und falls erforderlich ein Magnetresonanztomogramm (MRT) erfolgen. Bei einem Unfall muss allerdings zuerst nach lebensbedrohlichen Verletzungen der Lunge, des Bauches oder des Kopfes geschaut werden. Besteht hier keine Gefahr, richtet sich dann die Aufmerksamkeit auf das Rückenmark.

Bilder der Computer- und Magnetresonanztomografie zeigen, wo und in welchem Ausmaß das Rückenmark beschädigt ist. Anhand der bildgebenden Verfahren können die Ärzte auch entscheiden, ob und wie dringend der Betroffene operiert werden muss. Besteht noch eine Chance, das Rückenmark durch eine Entlastung, in der Fachsprache Dekompression genannt, zu retten, erfolgen die Eingriffe mit hoher Dringlichkeit zum ersten vertretbaren Zeitpunkt. Das ist besonders bei instabilen Wirbelbrüchen der Fall, das heißt, wenn Bruchstücke des Wirbels auf das Rückenmark drücken und weitere Schäden hervorrufen können. Ist das Rückenmark jedoch unwiederbringlich zerstört, dient ein Eingriff nur der Herstellung der Stabilität und ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Rehabilitation. Dieser erfolgt dann erst nach Stabilisierung der Gesamtsituation zu einem geplanten Zeitpunkt.

Häufig ist die Wirbelsäule aber auch trotz der Verletzung ausreichend stabil und heilt ohne Operation aus.

Was ist ein spinaler Schock?

Der sog. spinale Schock tritt unmittelbar, meist 30 bis 60 Minuten, nachdem das Rückenmark bei einem Unfall schwer verletzt wurde, auf. Unterhalb dieser Verletzung fallen alle sensiblen, motorischen und vegetativen Nervenfunktionen aus, und zwar unabhängig davon, wie schwer und wie dauerhaft die Schädigung in Wirklichkeit ist. Der Verlust der zentralen Kontrolle über die Gefäßsteuerung führt zu einem „Versacken“ des Blutvolumens im Körper. Die Herzfrequenz kann nur bedingt gesteuert werden und der Blutdruck fällt ab. Tritt zusätzlich ein Blutverlust durch eine Wunde ein, versagt das System vollständig und der Blutdruck fällt dramatisch bis zum Kreislaufversagen.

Der spinale Schock, der mit einer schlaffen Lähmung der Muskeln einhergeht, kann wenige Stunden, aber auch Tage oder Wochen andauern. Es handelt sich um einen lebensbedrohlichen Notfall und wird auf einer Intensivstation behandelt.

Zu welchen Symptomen kommt es bei einem spinalen Schock?

Neben den Lähmungen der Gliedmaßen und Rumpfmuskulatur leiden viele Betroffene an einer Harninkontinenz und/oder Stuhlinkontinenz. Sie können die Blase nicht kontrollieren und sie nicht aktiv entleeren. Es kommt zu einer maximalen Fühlung der Blase mit mehr als 1,5 Liter Urin. Erst dann gehen kleinere Urinmengen durch den Überdruck ab. Der Stuhlgang ist in der frühen Phase meist nur mit Hilfen wie Abführmittel, Einläufen und Darmmassage möglich. Erst später kommt es zu spontanem unkontrolliertem Stuhlabgang. Danach etablieren sich bestimmte reflektorische Kontrollen, die der Patient mit den Therapeuten selbst trainieren muss.

Wie ist die Prognose?

Erst wenn sich der Kreislauf wieder stabilisiert hat und sich der spinale Schock nach und nach löst, können die Fachärzte den wirklichen Grad der Behinderung feststellen, denn dann werden Rückenmarksnerven unterhalb der verletzten Stelle wieder aktiv. Autonome Funktionen wie Reflexe, Stoffwechsel und Verdauung kommen wieder in Gang.

Besteht ein vollständiger Ausfall aller Funktionen über 24 Stunden nach der Verletzung und Stabilisierung des Kreislaufs hinaus, sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Rückbildung der Lähmung stark ab. Sind dagegen noch Gefühlswahrnehmungen und auch nur minimale willkürliche Bewegungen unterhalb der Verletzungshöhe möglich, handelt es sich um eine inkomplette Querschnittslähmung mit deutlich besserer Chance, verlorene Funktionen wiederzuerlangen.

In anderen Fällen zeigt sich erst im Laufe der ersten Tage das vollständige Ausmaß der Schädigung, denn sowohl der spinale Schock als auch die Begleitverletzungen verschleiern oft das Ausmaß der Beeinträchtigung. Bei einer Schädigung unterhalb der C5-Wurzel der Halswirbelsäule ist immer Zwerchfellatmung möglich, muss aber trainiert werden. Gleichzeitig können Spasmen, bei denen sich ein oder mehrere Muskeln unwillkürlich zusammenziehen und schmerzen, auftreten. Werden diese frühzeitig erkannt und behandelt, besteht eine gute Chance, diese in den Griff zu bekommen.

Wie sieht die Behandlung aus?

Grundsätzlich sollten Menschen mit einer Verletzung des Rückenmarks so früh wie möglich in einer spezialisierten Einrichtung versorgt werden. Zum Teil handelt es sich hier um Querschnittszentren, meist jedoch um große Krankenhäuser mit spezialisierten Wirbelsäulenchirurgen.

Aufgrund der komplexen und individuell sehr unterschiedlich ausfallenden Symptome und betroffenen Organsysteme sind Ärzte aus verschiedenen Fachdisziplinen an der Behandlung der Betroffenen beteiligt.

Folgende Behandlungen bei einer Querschnittslähmung können nötig sein:

Operative Eingriffe

Bei jedem zweiten durch einen Unfall querschnittsgelähmten Patienten müssen die Ärzte auch Verletzungen des Schädels, Brustkorbs, Bauchraums oder Knochenbrüche behandeln.

Dekubitus vorbeugen

Ausgesprochen wichtig in der Behandlung ist es, zu vermeiden, dass sich ein Dekubitus bildet. Deswegen müssen die Betroffenen alle zwei bis drei Stunden in einem Spezialbett umgelagert werden. Diese systematische Lagerungsbehandlung dient dazu, mögliche Brüche ruhig zu stellen, den Kreislauf zu verbessern und Hautschäden zu vermeiden. Insbesondere bei polytraumatisierten, das heißt mehrfach verletzten Patienten, sind die Lagerungsmöglichkeiten durch die Begleitverletzungen eingeschränkt. Dies stellt eine große Herausforderung an die Krankenpflege dar und belastet auch die Betroffenen selbst erheblich. Die Betroffenen und Angehörige müssen lernen, damit umzugehen, damit sich gar nicht erst Druckgeschwüre bilden. Im weiteren Verlauf müssen Hilfsmittel wie ggf. Spezialmatratzen, aber in jedem Fall der geeignete Rollstuhl mit Spezialsitzkissen, individuell angepasst werden, um das Risiko des Entstehens von Drückgeschwüren weiter zu minimieren.

Blasen- und Darmmanagement

Grundlegend in der Behandlung ist das Umgehen mit Blase und Darm, denn die Betroffenen leiden aufgrund der Lähmung an einer Harn- und Stuhlinkontinenz bzw. Verstopfung. Diese Beschwerden werden mit einem Blasenkatheter, Medikamenten oder Einläufen therapiert. Die Betroffenen lernen, die Blase vier- bis fünfmal täglich mit einem Einmalkatheter vollständig zu entleeren. Nach standardisierter Diagnostik wird das Lähmungsbild der Harnblase klassifiziert. Häufig müssen regelmäßig Medikamente zur Senkung des Blasendrucks, der „Blasenspastik“, eingenommen werden. Diese können als Tablette eingenommen oder in die Blase nach dem Katheterismus eingespritzt werden. Auch Botoxeinspritzungen in den Blasenmuskel können erfolgreich sein. Operationen an den blasensteuernden Nerven oder an Harnblase und Schließmuskel runden die Behandlungsmöglichkeiten ab, die individuell für den Patienten ausgewählt werden müssen. Ziel ist es, eine gesunde Harnspeicherphase mit Kontinenz wieder herzustellen, um lebensbegrenzende urologische Komplikationen zu vermeiden. Eine lebenslange Kontrolle und Nachsorge ist erforderlich.

Atmung trainieren und unterstützen

Bei Betroffenen mit einer Tetraplegie oder hohen Paraplegie kann die Atemmuskulatur beeinträchtigt sein. Oftmals benötigen sie anfangs immer wieder für rund zwei Stunden eine Atemmaske, die mithilfe einer druckunterstützten Beatmung die eigene Atmung unterstützt.

Medikamentengabe

In der akuten Therapie erhalten die Patienten meist innerhalb der ersten 24 bis 48 Stunden hochdosiert Kortison, um Schwellungen des Rückenmarks zu verhindern. Fachgesellschaften sprechen sich allerdings inzwischen gegen die Gabe von Kortison aus, weil der Nutzen der Therapie nicht ausreichend belegt ist.

Oftmals ist auch der Herzschlag verlangsamt oder der Blutdruck gefährlich niedrig, was mit bestimmten Medikamenten therapiert wird. Da sich in den Gefäßen von Querschnittsgelähmten häufig lebensgefährliche Blutgerinnsel bilden, kann es sein, dass sie Arzneien zur Blutverdünnung einnehmen müssen.

Schmerzen lindern

Nicht nur Medikamente, sondern auch hydroelektrische Bäder und ätherische Öle werden gegen die Schmerzen eingesetzt.

Was passiert in der Rehabilitation?

Eng verzahnt mit der Akut-Behandlung sind erste Schritte der Rehabilitation, die i.d.R. schon in der Akutphase auf der Intensivstation vorgenommen werden. So wird der eingangs erwähnte Martin Kriegel bereits eine Woche nach seinem Unfall in eine Klinik in Duisburg verlegt. Insgesamt dauert die Rehabilitation danach noch vier bis sechs Monate bei einer Paraplegie und acht bzw. oft noch mehr Monate, wenn eine Tetraplegie vorliegt.

„Mein Leben hat eine 180°-Wendung gemacht und ich bin von ,selbstständig in allen Bereichen’ auf ,oftmals auf Hilfe angewiesen’ zurückgefallen. Ich muss mich immer noch daran gewöhnen, Hilfe anzunehmen beziehungsweise danach zu fragen.“ (Marcus Kriegel, im Interview auf der Website von Wings for Life)

Ziel der Rehabilitation ist, dass der Querschnittsgelähmte trotz seiner schweren Behinderung so unabhängig wie möglich sein Leben führen und gestalten kann.

Physiotherapie

Eine wichtige Säule der Rehabilitation ist die Physiotherapie. Hier lernen die Patienten z.B. im täglichen Stehtraining mithilfe eines Stehbrettes, in die aufrechte Position zu kommen, das Gleichgewicht im Sitzen zu halten und noch intakte Muskeln mit gezielten Übungen zu stärken. So ist eine kräftige Armmuskulatur enorm wichtig, um sich später mit dem Rollstuhl fortbewegen zu können oder sich aus dem Bett auf einen Stuhl zu bewegen. Die Betroffenen müssen mit der gesamten Armkraft ihren Körper versetzen. Die Gelenke werden regelmäßig vom Physiotherapeuten durchbewegt, damit sie nicht versteifen.

Ein weiteres Ziel ist es, auch wieder eine gute Rumpfstabilität zu erreichen. Beim Atemtraining muss der Hustenstoß gekräftigt werden, um Lungenentzündungen zu vermeiden und je nach Lähmungshöhe wieder eine stabile Spontanatmung zu erreichen.

Blasen- und Darmmanagement

Die Patienten erlernen, ihre Harnblase hygienisch einwandfrei mit einem Einmalkatheter mehrfach täglich zu entleeren. Hierzu stehen unterschiedliche sterile Kathetersysteme verschiedener Hersteller zur Verfügung, sodass auf die individuellen Bedürfnisse und Notwendigkeiten eingegangen werden kann, um Folgekomplikationen möglichst zu vermeiden. Ein individuell abgestimmtes Harnblasenmanagement schützt nicht nur vor wiederkehrenden Infektionen und Harninkontinenz mit sozialer Isolation und Hautschäden, sondern ist auch Basis für den Schutz der Nierenfunktion, für den Erhalt von Lebensqualität und -erwartung.

Das Darmmanagement muss mit dem Ernährungs- und Flüssigkeitsmanagement eng abgestimmt sein. Ein verlässliches Darmmanagement kann durch unterschiedliche Hilfsmittel unterstützt werden. Ein Baustein ist die anale Irrigation, die nur indiziert und ärztlich verordnet zum Einsatz kommen sollte, wenn andere Optionen nicht erfolgreich sind.

Rollstuhl-Training

Zentral in der Rehabilitation ist das Rollstuhl-Training, in dem die Betroffenen lernen, den Rollstuhl anzutreiben und mit ihm in unterschiedlichen Situationen im Alltag zurecht zu kommen. Der Rollstuhl und das notwendige, druckentlastende Spezialsitzkissen müssen individuell angepasst sein, damit der Betroffene in seiner selbstbestimmten Mobilität nicht eingeschränkt ist. Mit der Auswahl des Hilfsmittels müssen mögliche Folgekomplikationen an Haut und Bewegungsapparat sowie Wirbelsäule bei schlechter Sitzhaltung, unzureichender Druckentlastung etc. vermieden werden.

Das Ausprobieren unterschiedlicher Modelle, Sitzdruckprüfungen, richtiges Ausmessen und Anpassen sind nur ein Teil notwendiger Maßnahmen. Zu prüfen ist die Notwendigkeit restkraftverstärkender Zusatzantriebe, Zuggeräte oder Handbikes oder aber auch der Einsatz eines Elektrorollstuhls mit unterschiedlichen Funktionen bei hoher Paraplegie oder aber auch bei Erkrankungen im Bereich der oberen Extremitäten.

Psychologie

Ein wesentlicher Aspekt in der Behandlung ist die psychologische Begleitung, um sich mit der Behinderung, die das bisherige Leben völlig auf den Kopf stellt, auseinanderzusetzen. Es gilt, zu akzeptieren, dass man sich nicht mehr selbstverständlich bewegen kann, auch wenn man es noch so intensiv will, und neue Wege und Möglichkeiten für ein erfülltes Leben zu finden.

Ergotherapie

In der Ergotherapie lernen die Patienten, im Haushalt selbstständig klarzukommen. Dazu gehört es, sich trotz der Behinderung anzuziehen, zu waschen, Mahlzeiten zuzubereiten und zu essen. Je nach Lähmungsausmaß lernen sie z.B., einen Löffel oder eine Gabel zu halten, zum Mund zu führen und in den Mund zu schieben. Sie lernen außerdem, zu schreiben oder ein Handy zu bedienen – Verrichtungen, die früher selbstverständlich waren und nun der Lebenssituation neu angepasst werden müssen. Je nachdem, ob und inwieweit noch Restfunktionen in Armen und Händen vorhanden sind, werden diese in gezielten Übungen gestärkt.

Funktioniert noch ein Teil der Nervenzellen, können Betroffene sogar neue Bewegungen, sog. Trickbewegungen, erlernen. So bezeichnet man Bewegungsabläufe, die fehlende Muskelfunktionen oder Muskelkraft durch Ausweichbewegungen ausgleichen. Verkürzt man beispielsweise die Muskeln durch Tapen der Hände, lassen sich verschiedene Griffarten ausüben: Beim Arm heben öffnet sich die Hand, beim Senken schließt sie sich wieder. 

Wie ist die Prognose?

Immerhin können 20 bis 30 Prozent der Patienten mit einer Tetraplegie, die also vier gelähmte Extremitäten haben, die Bewegungsfähigkeit verbessern und die Körperfunktionen eher kontrollieren. Dennoch: 70 Prozent der Menschen mit einer Querschnittslähmung bleibt ein Leben lang auf den Rollstuhl angewiesen. Er ist sicher eines der wichtigsten Hilfsmittel im Alltag der Betroffenen. Liegt eine inkomplette oder im Rückenmark sehr tief ansetzende Querschnittslähmung vor, können Orthesen die Beine beim Gehen unterstützen. Kissen und Schaumstoffkeile für die Lagerung im Bett sowie Spezialmatratzen wirken dem Wundliegen entgegen.

Wichtigstes urologisches Hilfsmittel der Betroffenen ist der Einmalkatheter, wie eine Multicenterstudie mehrerer beteiligter Kliniken in Deutschland zur Ermittlung des täglichen Bedarfs an urologischen Hilfsmitteln gezeigt hat. Nach den im Jahre 2016 publizierten Ergebnissen mussten mehr als zwei Drittel der knapp 800 an der Studie beteiligten Patienten ihre Blase mittels Einmalkatheter entleeren. Einige Patienten benötigen zusätzliche Inkontinenzprodukte wie Einlagen, Vorlagen, Inkontinenzslips oder -pants, die Urin aufsaugen oder ein für Männer geeignetes Urinalkondom, um die Folgen der Harninkontinenz weiter zu minimieren.

Das neue Leben anzunehmen und sich daran zu gewöhnen, vieles neu zu lernen, was früher von allein funktionierte, ist eine enorme Herausforderung.

Marcus Kriegel hat sich auf den Weg gemacht in ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben.
Er sagt: „Ich will so normal wie möglich am Leben teilnehmen und mich nicht zuhause verkriechen.“