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Morbus Hirschsprung

Was ist Morbus Hirschsprung?

Bei Morbus Hirschsprung handelt es sich um eine angeborene Fehlbildung des so genannten Enterischen Nervensystems (ENS). Dieses Nervensystem wird auch als Darmnervensystem bezeichnet, da es fast den gesamten Verdauungstrakt durchzieht. Seine Aufgabe ist die Regulierung der Verdauungsprozesse, indem es die Darmbewegung (Peristaltik), die Aufnahme und Abgabe von Substanzen über die Darmschleimhaut und den Blutfluss der den Darm versorgenden Blutgefäße steuert. Benannt wurde der Morbus Hirschsprung nach dem Kinderarzt Harald Hirschsprung, der die Erkrankung erstmals bereits im Jahr 1888 beschrieb.

Häufigkeit von Morbus Hirschsprung in den einzelnen Darmabschnitten – Quelle: Kinderchirurgie Jena
Häufigkeit von Morbus Hirschsprung in den einzelnen Darmabschnitten – Quelle: Kinderchirurgie Jena

Beim Morbus Hirschsprung kann durch die Fehlbildung des Enterischen Nervensystems ein individuell unterschiedliches Darmstück betroffen sein. Meist führt die Erkrankung zu einer Verengung des betroffenen Segments.

Beginn des erkrankten Abschnitts ist beim Morbus Hirschsprung immer am Darmausgang (After). Bei den meisten Betroffenen (etwa 80 bis 85 Prozent) reicht die Schädigung bis über den Mastdarm (Rektum) und bis über das S-förmige Endstück des Dickdarms (Rektosigmoid) hinaus. Diese Form des Morbus Hirschsprungs wird kurzstreckige Aganglionose bezeichnet. Bei der so genannten langstreckigen Agangliose kann die Erkrankung über den halben oder ganzen Grimmdarm (Kolon) reichen oder im Extremfall, bei etwa einem Prozent der Betroffenen, sogar den gesamten Magen-Darm-Trakt betreffen. Eine Sonderform der kurzstreckigen Agangliose ist der so genannte ultrakurze Morbus Hirschsprung. Bei dieser Form ist die Erkrankung auf das allerletzte Stück des Mastdarms, die anorektale Zone, unterhalb des Beckenbodens begrenzt.

Beim Morbus Hirschsprung handelt es sich um eine seltene Erkrankung. In Deutschland tritt er bei ungefähr einem von 5.000 Neugeborenen auf. Das bedeutet, dass durchschnittlich jeden dritten Tag ein Kind mit der Erkrankung geboren wird. Jungen sind bis zu vier Mal häufiger davon betroffen als Mädchen.

Morbus Hirschsprung und Stuhlinkontinenz

Ein Morbus Hirschsprung tritt zu 90% bei Neugeborenen auf. Es kann sein, wenn auch selten, dass es als Folge einer Überlaufinkontinenz zu einem vermehrten Kotabgang/Durchfall oder im Kindesalter z.B. nach einer Operation zu einer Stuhlinkontinenz kommt.

Wie sehen die Symptome aus?

Die Symptome eines Morbus Hirschsprungs treten meist direkt nach der Geburt auf. Typisch ist, dass der erste Stuhlgang des Neugeborenen (Mekonium) erst mehr als 24 Stunden nach der Geburt oder sogar gar nicht ausgeschieden wird. Häufig erbrechen die Kinder und zeigen einen sehr dicken und stark aufgeblähten Bauch. Gleichzeitig kann es zu einer akuten Entzündung der Darmschleimhaut kommen. Typisch sind auch Gedeihstörungen.

Allerdings kann es bei einem Morbus Hirschsprung auch passieren, dass direkt nach der Geburt keinerlei Symptome auftreten. Da der Stuhl bei Neugeborenen, solange sie noch gestillt werden, meist sehr dünn ist, kann er trotz des Fehlen der Nervenzellen des Enterischen Nervensystems vom Darm transportiert werden. Eine Neigung zu Verstopfung oder eine unregelmäßige Darmentleerung fallen also manchmal nicht auf. Sobald die Nahrung umgestellt wird, kann es aber zu deutlichen Symptomen wie einer schweren, chronischen Verstopfung (Obstipation) kommen.

Da aufgrund dieser der Stuhlgang häufig nur noch unter Schmerzen möglich ist, halten Betroffene den Stuhl bewusst zurück, was schließlich zu einem unbewussten Stuhlabgang führen kann. Auch nach einer rektalen Untersuchung oder wenn ein Fieberthermometer in den After eingeführt wird, kann es zu einer explosionsartigen Stuhlentleerung kommen. Weitere Symptome sind ein aufgeblähter Bauch, ein schlechter Allgemeinzustand, Erbrechen, Verweigerung der Nahrungsaufnahme oder starke Bauchschmerzen.

Bei etwa zwei Dritteln der Betroffenen tritt der Morbus Hirschsprung als eigenständiges Krankheitsbild auf. In einigen Fällen können gleichzeitig allerdings auch weitere Fehlbildungen anderer Organe auftreten.

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Welche Ursachen gibt es?

Die genaue Ursache eines Morbus Hirschsprungs ist noch nicht bekannt. Es steht aber fest, dass die Erkrankung in der Frühphase der Schwangerschaft, das heißt zwischen der sechsten und zwölften Schwangerschaftswoche, entsteht. Wenn in dieser Zeit bestimmte Nervenzellen, die für die Bildung des Enterischen Nervensystems (ENS) zuständig sind, nicht einwandern und somit an der betroffenen Stelle im Darm fehlen, sind an diesen Stellen die eigentlichen Funktionen des ENS nicht vorhanden.

An der betroffenen Stelle kommt es daher zu einer so genannten funktionellen Stenose. Das „Weitstellen“, mit dem beim gesunden Menschen der Darminhalt in Richtung Darmausgang (After) weitertransportiert wird, findet nicht statt. Der Darminhalt staut sich daraufhin vor dem Abschnitt, dem die Nervenzellen fehlen, auf, und der Dickdarm dehnt sich aus. Die Folge kann sein so genanntes Megakolon, das heißt eine riesige Darmerweiterung, sein.

Warum es zu der Fehlbildung des Enterischen Nervensystems kommt, konnte bisher nicht geklärt werden. Allerdings gehen Wissenschaftler von einer genetischen und damit vererbbaren Ursache aus, bei der bestimmte Mutationen auf mehreren Genen die Erkrankung auslösen können. Je länger das betroffene Darmstück ist, desto höher ist auch das Risiko einer Vererbung auf die eigenen Kinder. Das Risiko, ein Kind mit einem Morbus Hirschsprung zu bekommen, ist erhöht, wenn bereits ein älteres Kind davon betroffen ist. Außerdem tritt ein Morbus Hirschsprung vermehrt bei Kindern mit Trisomie 21 (Down-Syndrom), Undine-Syndrom, Shah-Waardenburg-Syndrom oder Mowat Wilson-Syndrom auf.

Wie erfolgt die Diagnose?

Ein ausgeprägter Morbus Hirschsprung macht bereits wenige Tage nach der Geburt Symptome. Die Säuglinge entwickeln einen massiv aufgetriebenen Bauch, eine Behandlung muss schnell erfolgen. Bei nicht so ausgeprägten Formen haben Kinder immer wieder Stuhlgangsprobleme, selten und schmerzhaft.

Erster Schritt der Diagnose eines Morbus Hirschsprungs ist ein ausführliches Gespräch über die vorhandenen Symptome mit den Eltern des betroffenen Kindes (Anamnese). Anschließend erfolgt eine gründliche körperliche Untersuchung. Bei dieser wird der Arzt den Bauch abtasten und abhören und eine rektale Tastuntersuchung durchführen, bei der er den Darmausgang und den Mastdarm mit einem Finger über den After austastet.

Für die eindeutige Diagnose eines Morbus Hirschsprungs können verschiedene Untersuchungsverfahren eingesetzt werden. Mithilfe einer Ultraschalluntersuchung (Sonographie) kann der Arzt erkennen, wie sehr der Darm gefüllt ist und ob der Darminhalt bewegt wird. Außerdem kann er den Verlauf des Darms auf mögliche Aufweitungen und Stauungen hin untersuchen.

Bei der so genannten Enddarmdruckmessung (Rektummanometrie) wird ein Messfühler in den Enddarm eingeführt und unter anderem die Funktion des Schließmuskels über eine Druckmessung überprüft. Allerdings ist diese Untersuchung bei Neugeborenen häufig nicht eindeutig, da die Nervenversorgung des letzten Darmabschnitts bei diesen oft noch nicht vollständig ausgebildet ist. Auch bei älteren Kindern hängt das Ergebnis dieser Untersuchung von der Kooperation des Kindes ab.

Eine weitere Untersuchung bei Morbus Hirschsprung ist eine Röntgenaufnahme des Darms mit Kontrastmittel (Kolonkontrasteinlauf). Dabei wird über einen Schlauch ein Kontrastmittel in den Darm eingebracht. Auf einem Röntgenbild können anschließend mögliche Verengungen oder Erweiterungen des Darms dargestellt werden. Allerdings liefert auch diese Untersuchung nicht immer eindeutige Ergebnisse, wenn die Erweiterung des Darms beispielsweise in einem frühen Stadium der Erkrankung noch nicht stark genug ausgeprägt ist.

Eine eindeutige Diagnose des Morbus Hirschsprungs kann nur mithilfe einer histologischen Untersuchung erhalten werden, die allerdings erst etwa ab der sechsten Lebenswoche möglich ist. Bei der Untersuchung werden aus dem Mastdarm Proben entweder direkt mithilfe einer Pinzette und Skalpell oder durch Absaugen mit einem speziellen Instrument entnommen und im Labor mikroskopisch auf das Vorhandensein oder Fehlen von Nervenzellen und –fasern untersucht.

Eine weitere Untersuchung ist die immunhistochemische Diagnostik, mit deren Hilfe sich bestimmte, so genannte immunhistochemische Marker nachweisen lassen können, die einen Hinweis auf einen Morbus Hirschsprung geben können. Auch bei einer genetischen Untersuchung können typische Mutationen für die Erkrankung festgestellt werden.

Wie sieht die Therapie aus?

Die Therapie des Morbus Hirschsprungs besteht darin, im Rahmen einer Operation den erkrankten Darmabschnitt vollständig zu entfernen. Das Ende des gesunden, funktionierenden Darms wird danach an das kurze, verbleibende Stück des Mastdarms angeschlossen (Anastomose). Gleichzeitig sollen aber die Muskeln und Nerven des Beckenbodens, die Funktion der Blase, der Harnleiter und des Schließmuskels nicht beschädigt werden. Die Operation kann per Bauchschnitt, minimal-invasiv oder durch den After erfolgen.

In manchen Fällen ist es notwendig, zunächst einen vorübergehenden künstlichen Darmausgang (Stoma, Anus praeter) anzulegen, der etwa drei bis vier Wochen nach der eigentlichen Operation, wenn die Wunden gut verheilt sind, wieder zurückverlegt werden kann. Bei diesem Eingriff wird zunächst der Darm durchtrennt und die Enden durch die Bauchdecke nach außen geführt. Bei der Rückverlegung werden die nach außen geleiteten Darmenden wieder zusammengeführt und die Bauchdecke anschließend verschlossen. Vor allem bei einem schlechten Gesundheitszustand des Kindes ist ein Anus praeter sinnvoll, damit das Kind sich vor der eigentlichen Operation erholen kann.

Bei dem ultrakurzen Morbus Hirschsprung wird als Therapie eine so genannte anorektale Myektomie durchgeführt. Bei dieser Operation wird der straffe Muskelring des Schließmuskels durchtrennt und ein Streifen des erkrankten Enddarms entnommen. Ziel ist es, den Schließmuskel dabei etwas zu schwächen, da er eine zu große Spannung aufbaut und keine Entleerung des Darms stattfinden kann.

Bei der Heilung einer ringförmigen Wunde kann es zu einer Schrumpfung der Narbe und damit zu einer erneuten Verengung des Darms kommen. Daher kann es in manchen Fällen notwendig sein, die Narbe in der Zeit des Heilungsvorgangs regelmäßig zu dehnen (bougieren). Durchgeführt wird die Dehnung mit so genannten Hegar-Stiften. Dabei handelt es sich um glatte, runde Metallstifte mit unterschiedlichen Durchmessern, die vorsichtig in den After eingeführt werden und den Darm aufdehnen. Begonnen wird mit dem kleinsten, passenden Durchmesser.

Nach der Operation ist ein täglicher Stuhlgang sehr wichtig. Falls eine Verstopfung (Obstipation) drohen sollte, ist eine abführende Diät oder eine medikamentöse Regulierung des Stuhlgangs mit Abführmitteln sinnvoll. Stopfende Nahrungsmittel sollten vermieden und auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Sollte die Verstopfung über längere Zeit bestehen bleiben, können Einläufe beziehungsweise Darmspülungen durchgeführt werden. Nur wenn die Verstopfung gar nicht in den Griff zu bekommen ist, müssen weitere Maßnahmen durchgeführt werden. Zu diesen zählen beispielsweise die Schließmuskelspaltung oder die Injektion von Botox.

In vielen Fällen ist die Operation des Morbus Hirschsprung erfolgreich. In einem Drittel der Fälle kann allerdings weiterhin eine Verstopfung bestehen bleiben. In seltenen Fällen kann es zu einer Stuhlinkontinenz kommen. Häufig ist allerdings das Sauberwerden der Kinder verzögert.

Inkontinenz-Hilfsmittel bei Morbus Hirschsprung

Bei der Bewältigung von Inkontinenzproblemen bei Morbus Hirschsprung können moderne Hilfsmittel eine wichtige Rolle spielen. Sie geben den Betroffenen oder deren Eltern oft Kontrolle, Sicherheit und Freiheit zurück und ermöglichen so deutlich mehr Lebensqualität.

Um die Bedürfnisse Betroffener möglichst gut und situationsgerecht zu versorgen, gibt es verschiedene Hilfsmitteltypen und ein noch größeres Spektrum konkreter Produkte diverser Hersteller. Oft wissen Betroffene gar nicht um diese Möglichkeiten.

Aus Sicht des Einzelnen ist hier entscheidend, sich gut zu informieren und dann aus den Möglichkeiten die Versorgungslösung zu wählen, die optimal auf die individuelle medizinische Situation und seinen Lebensstil passt. Grundlage hierfür ist zum einen die richtige Diagnose, zum anderen eine Beratung durch Hilfsmittelspezialisten, die einen strukturierten Überblick über den Hilfsmittelmarkt haben und auf den individuellen Fall bezogen beraten können. Auf den Seiten zu "Produkte verstehen" finden Sie umfangreiche Informationen zu den verschiedenen Inkontinenzhilfsmitteln, deren Anwendungsbereichen und Vor- und Nachteilen.

Carola Eilers

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Carola Eilers, Kontinenz-Beraterin

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Weiterführende Informationen

  • SoMA e.V.
    Selbsthilfe für Menschen mit Anorektal-Fehlbildungen und Morbus Hirschsprung: www.soma-ev.de
  • CURE Net
    Netzwerk für Congenitale Uro-Rektale Fehlbildungen: www.cure-net.de